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Tunnelspiele

Unter einem Tunnelspiel versteht man eine Praktik, die – einmal begonnen – nicht vor Ablauf einer bestimmten Frist beendet werden kann.

Nach den allgemein anerkannten Prinzipien des vernünftigen, sicheren und einvernehmlichen Handelns kann der passive Partner, auch Bottom oder Sub genannt, in der Regel jederzeit durch ein vereinbartes Signal (meist das sogenannte Safeword) das Spiel beenden. Beim Tunnelspiel wird jedoch bewusst auf diese Möglichkeit verzichtet: Das übliche Safeword wird nicht mehr verwendet.

Der aktive Partner, auch Top oder Dom genannt, erhält also im Vorfeld die ausdrückliche Erlaubnis, nach eigenem Ermessen über die Grenzen des Rollenspiels beziehungsweise der Session zu entscheiden. Das Spiel kann somit auch ohne jederzeitiges gegenseitiges Einvernehmen fortgesetzt werden.

Wie ein Tunnel ohne Nebenausfahrt muss der Bottom das Spiel bis zum Ende durchstehen, um ans Ziel zu gelangen. Daher auch die Bezeichnung „Tunnel“.

Beispiele für Tunnelspiele

Der Fantasie sind beim Tunnelspiel kaum Grenzen gesetzt. Vieles lässt sich sogar mit Gegenständen ausprobieren, die man zu Hause hat. Hier gilt die Devise: einfach ausprobieren und herausfinden, was einem liegt.

Grundsätzlich kann sowohl der äußere als auch der innere Körper als Grundlage für die Praktik dienen.

Ein klassisches Beispiel ist Figging, bei dem aus Ingwer ein Plug geformt und eingeführt wird. Auch scharfe Lebensmittel wie Chili, Tabasco oder Peperoni eignen sich, ebenso wärmende oder reizende Salben, ätherische Öle oder sogar Brennnesseln.

Für die innere Anwendung kommt die Einnahme von Substanzen infrage, etwa Abführmittel, Lachgas, Viagra oder andere Wirkstoffe, die den Körper beeinflussen und nicht steuerbar sind.

Weitere extreme Varianten sind etwa das Fesseln des Bottoms, wobei der Schlüssel eingefroren wird – eine Befreiung ist erst möglich, wenn das Eis geschmolzen ist. Auch das Aussetzen an einem weit entfernten Ort, eventuell nackt, ist eine bekannte Form.

Wer das Tunnelspiel alleine ausprobieren möchte, kann z. B. chemische Substanzen an empfindlichen Körperstellen anwenden oder ein Schloss mit einem zeitgesteuerten Mechanismus verwenden.

Gerade bei innerer Anwendung sind die Risiken jedoch hoch und sollten keinesfalls unterschätzt werden.

Kombination mit anderen Spielen

Tunnelspiele lassen sich gut mit anderen Praktiken kombinieren.
Beispielsweise kann der Keyholder den Schlüssel eines Keuschheitsgürtels per Post verschicken – der Zugriff ist dann erst nach der Zustellung wieder möglich. Auch das Einfrieren oder Vergraben des Schlüssels verlängert die Dauer zusätzlich.

Sichtweise innerhalb und außerhalb der Szene

In der BDSM-Szene gilt das Tunnelspiel als äußerst umstritten. Die Meinungen gehen weit auseinander, und Neulinge wissen oft nicht einmal, was darunter zu verstehen ist.

Kritiker betonen, dass Tunnelspiele potenziell gegen Menschenrechte verstoßen und nicht toleriert werden sollten.
Befürworter wiederum argumentieren, dass der Bottom sich bewusst darauf einlässt, meist nur innerhalb einer stabilen Beziehung. Ein erfahrener Top habe kein Interesse daran, dem Partner dauerhaft zu schaden, und würde bei realer Gefahr jederzeit abbrechen. Außerdem beruhe BDSM grundsätzlich auf Vertrauen.

Gegner halten dagegen, dass der Bottom hier reale, unter Umständen nicht mehr einvernehmliche Erlebnisse erfährt – mit unklaren psychischen Folgen. Extremsituationen können zu schweren psychologischen Ausnahmesituationen wie einem „Sub-Drop“ führen.

Risiken beim Tunnelspiel

Tunnelspiele bergen besondere Risiken, da der Dom nach Beginn oft nur noch eingeschränkt eingreifen kann. Manche Szenarien lassen sich gar nicht mehr abbrechen.

Häufig wird mit Substanzen gearbeitet, die Haut oder Schleimhäute reizen. Diese erzeugen Wärme oder Brennen, die Wirkung hält an, bis sie von selbst nachlässt. Selbst im Notfall kann der Dom dies oft nur begrenzt oder gar nicht mehr stoppen.

Daher ist es besonders wichtig, den Partner gut zu kennen und einschätzen zu können, was ihm zugemutet werden kann. Allergien oder Überreaktionen sind ernst zu nehmen. Es empfiehlt sich, neue Substanzen zunächst in geringer Dosierung und nicht gleich an besonders empfindlichen Stellen zu testen.

Rechtslage

Neben den praktischen Aspekten sollte auch die rechtliche Lage beachtet werden.

Diese ist bei Tunnelspielen unklar und hängt stark von den jeweiligen nationalen Gesetzen ab. BDSM bewegt sich generell oft in einem rechtlichen Graubereich, in dem der aktive Part Gefahr läuft, verklagt zu werden. Bei Tunnelspielen ist dieses Risiko jedoch deutlich höher, da die einmal erteilte Einwilligung nicht wie üblich zurückgenommen werden kann.

Daraus ergeben sich zusätzliche rechtliche Probleme, sodass Tunnelspiele schnell strafrechtlich relevant werden können.

Tunnelspiele sollten daher niemals ohne ausdrückliche Zustimmung des Bottoms durchgeführt werden.

Fazit

Das Tunnelspiel beginnt – doch es endet nicht auf Wunsch.